Europa, 24. Februar 2023:
Es herrscht Krieg.
Im Kriegsjahr 2023 jähren sich Einschnitte, die dunkelste und menschenverachtende historische Entwicklungen im letzten Jahrhundert anzeigen: 90 Jahre Machtübernahme durch Hitler und Beginn der Diktatur in Deutschland, 80 Jahre Hinrichtung der Mitglieder der „Weißen Rose“, der mutigen Widerstandsbewegung gegen die nationalsozialistische Terror-Diktatur, und ein Jahr russischer Angriffskrieg auf die souveräne Ukraine, dem völkerrechtswidrigen Überfall auf ein freies Land.
Die Vergangenheit, auch die jüngste, erinnert uns daran, dass diesen historischen Momenten vielschichtige und langwährende Prozesse vorangingen. Dies macht uns bewusst, dass Demokratie, Freiheit, Menschenwürde, Toleranz und Frieden
keine Selbstverständlichkeit sind, sondern beständigen Einsatz erfordern – im Kleinen und im Großen.
Soroptimist International (SI) Lauterbach-Vogelsberg trägt zu diesem Bewusstseinsprozess bei und stellt in diesem Jahr einen historischen Moment in den Fokus, der Grund zur Hoffnung ermöglicht, dass aus Feinden schließlich doch Freunde werden können:
Der „Élysée-Vertrag“ zwischen Frankreich und Deutschland wurde vor 60 Jahren geschlossen und unterzeichnet. Damit wurde nach drei großen Kriegen das Ende der „Erbfeindschaft“ endgültig besiegelt; einem Topos, der im Krieg 1870/71 begrifflich in die Welt getreten war – dem Krieg, dem der Löwe 1907 als euphorisches Siegesdenkmal gewidmet wurde.
Historischer Hintergrund des Begriffes der sog. „Erbfeindschaft“ in Bezug zum Projekt
Der Begriff der „Erbfeindschaft“ war ein Schlagwort - heute würde man „Frame“ oder Narrativ sagen- das das bilaterale Verhältnis charakterisieren und die Botschaft transportieren sollte, es gäbe eine über Generationen gewachsene – vererbte – Feindschaft zwischen Staaten, in diesem Fall Frankreich und Deutschland, die über Jahrhunderte zurückreiche.
Der Begriff „Erbfeindschaft“ erscheint erst ab 1870/71, mit dem die Politik fortan rechtfertigten, suggerieren und demagogisieren konnte. Dabei gab es vor 1871 noch gar keinen deutschen Nationalstaat, sondern nur viele Fürstentümer. Es ist zu vermuten, dass das Narrativ „Erbfeindschaft“ auch dabei helfen sollte, das nationalistische Wir-Gefühl im gerade erst gegründeten deutschen Reich zu unterstützen.
Bereits in den Jahrhunderten vor 1870/71 war es wiederholt zu Kriegen und Auseinandersetzungen zwischen vor allem preußischen und französischen Truppen gekommen, geprägt von Macht- und Macht-Erhaltungsinteressen sowie Territorial-Ansprüchen der jeweiligen Fürsten. So war es nicht schwer, Konflikte aus der Vergangenheit dem Wort „Erbfeindschaft“ als propagandatauglichen Beleg anzuheften. Der Krieg 1870/71 begründete eine Gewaltspirale aus Vergeltung und Wiedervergeltung zwischen Deutschland und Frankreich.
Nicht zuletzt die deutsche Reichsgründung 1871 in Versailles und der Streit um Elsass-Lothringen bildeten Grundlagen für die Entwicklungen, die zu zwei Weltkriegen führen sollten. Die Politik war emotionalisiert: „Schmach“ und „Demütigung“, „Rache“ und „Revanche“ drangen begrifflich in die Politik und in das Bewusstsein der Bevölkerung und konnten die Massen mobilisieren. Auf beiden Seiten des Rheins wurde nach „Krieg“ gerufen.
Dabei herrschte zwischen den Kriegen durchaus Annäherung jenseits der Staatspolitik, Respekt und Achtung für die jeweils andere Kultur: Um 1900 wurde z.B. Französisch statt Latein an deutschen Schulen als Fremdsprache gelehrt und ab 1901 gab es einen regen deutsch-französischen Jugendaustausch. Es war die Staatspolitik, die den Rahmen dafür schuf, sich in Kriegen wieder als Feinde gegenüberzustehen.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelang der Friedensschluss. Historiker und Geschichtslehrer arbeiteten bereits Ende der 1940er Jahre daran, das Erbe der „Erbfeindschaft“ zu tilgen, denn Hass sollte nicht länger an andere Generationen weitergegeben werden. Schließlich wurde 1963 im Elysée-Palast der Freundschaftsvertrag zwischen Frankreich und Deutschland geschlossen, Ein beachtlicher Akt der Versöhnung, der bereits seit 60 Jahren Hoffnung auf die Zukunft macht.
Verhüllung
des Löwendenkmals
Berliner Platz, Lauterbach
1. bis 30. September 2023
Der Löwe soll mit Dreiecktüchern verhüllt werden, wie sie ursprünglich aus dem Verbandskasten bekannt sind. Das Dreiecktuch wurde von Dr. Friedrich von Esmarch erfunden, der es 1869 in Kiel mit der Broschüre „Der erste Verband auf dem Schlachtfelde“ vorstellte. Esmarch selbst hatte an Kriegen teilgenommen – auch am Krieg 1870/71 – und wusste um die Leiden der Soldaten. Das Tuch sollte einen Beitrag „zur ersten Linderung der Noth auf den Schlachtfeldern“ leisten und „die Schrecken des Krieges so viel als möglich (..) mildern)“.
Die Dreiecktücher für die Verhüllung des Löwen im Rahmen von „Nie wieder Krieg!“ werden an Kitas, Schulen, Seniorenheime und Kirchengemeinden verteilt, wo sie in Gruppenarbeit bunt gestaltet und schließlich an den Löwen zurückfinden werden. Dort werden die gestalteten Tücher miteinander zu einem Schwarmkunstwerk verbunden und verwandeln den Löwen in ein buntes Symbol für Hilfe, Heilung und Hoffnung.
Rahmenprogramm während der
Verhüllungszeit im September:
1. bis 30. September 2023
Stadtbücherei Lauterbach: Bücherturm
»Das Buch« und »Lesezeichen«: Büchertische mit Fokus
Hohhausmuseum: Aufhängen (des »Nie wieder Krieg!«- Banners* und) erläuternder Plakate über geschichtlichen Hintergrund am Hohhaus-Zaun
Mahn/Mohnblumen »Never again«: »Nie wieder Krieg« hat sich erfolgreich mit dem Projekt »Never again« von Walter Kuhn in München vernetzt. Die Mohnblumen des Künstlers sollen
während des Projektes ausgestellt werden.
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Veranstaltungen
Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei.
Um Spenden wird gebeten.
Alle Erlöse des Projektes »Nie wieder Krieg!« gehen 2023 an »Ärzte ohne Grenzen«
Soroptimist Verein Lauterbach-Vogelsberg e.V. IBAN DE 47 518 500 79 0027161456 Sparkasse Oberhessen