Vortrag des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus rüttelt auf
Ein Frosch-Männchen in Verbindung mit ein paar Strichen und Buchstaben: Wer es nicht weiß, nimmt es kaum wahr und auch nicht ernst, aber hinter der vermeintlich harmlosen Symbolik des „KEK-Frosch-Meme“ verbirgt sich die größte Gefahr für die Demokratie – der neue Rechtsextremismus.
Sven Daniel, Leiter des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus informierte im Rahmen seines Vortrags für das Projekt „Nie wieder Krieg!“ von Soroptimist International (SI) Lauterbach-Vogelsberg über Geschichte, Struktur, Strategie und unter anderem auch über zahlreiche Erkennungszeichen, Symbole und Figuren aus der Ikonographie des neuen Rechtsextremismus
Der neue Rechtsextremismus ist schnell präsent an Orten, die besonders viele Jugendliche oder junge Erwachsene anziehen und bedient sich der gesamten Klaviatur der modernen medialen Kommunikation. Gerade die sozialen Netzwerke, und hier vor allem Telegram bergen eine besondere Radikalisierungsgefahr. Rechtsextreme Influencer, Online-Videospiele (Gaming), Musikgenres wie HipHop und Rap werden mit entsprechenden deutschen Songs befeuert, politische Satire wird genutzt und schließlich arbeiten noch Trolle an der Manipulation von Algorythmen. Die „Neue Rechte“ ist auf dem Kamm der Zeit und ihre Mittel zu dechiffrieren verlangt hohe Aufmerksamkeit. Sie überlässt den „Kampf um die Straße“ vornehmlich der traditionellen Rechten und kämpft seit ihrem Entstehen um den „Kampf um die Köpfe“. Daniel betonte daher auch, dass es sich beim neuen Rechtsextremismus nicht um die Orientierung am historischen Nationalsozialismus handele.
Die Wurzeln der „Neuen Rechten“ liegen, so Daniel, vielmehr in der Ideologie der antidemokratischen, antiliberalen „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik. Zu ihren Vertretern gehörten u.a. der Schriftsteller Ernst Jünger und der Philosoph Oswald Spengler, dessen Buch „Der Untergang des Abendlandes“ noch heute von der „Neuen Rechten“ zitiert wird. Eine ausgesprochen intellektuelle Bewegung, die sich gegen Aufklärung, Menschenrechte und Pluralismus im demokratischen Sinn richtete und eine autoritäre Diktatur mit streng hierarchischer Ordnung befürwortete. Diese Strömung einer intellektuellen Elite setzte sich schon damals von den Nationalsozialisten um Hitler ab, der eher als „Schreier“ bezeichnet wurde.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass „smarte junge Männer“ wie Martin Sellner, einer der Köpfe der „Neuen Rechten“, ein bewusst distinguiertes soziales Profil zeigen und mit dieser positiven Ausstrahlung demzufolge ganz andere Gruppen erreichen. Auch das Magazin „Sezession“, ein Organ der „Neuen Rechten“, der „Verlag Antaios“ oder das „Institut für Staatspolitik“ bewegen sich auf intellektuellem Niveau.
Aber es handelt sich immer um Mimikri: Ihre Inhalte und Narrative sind nichts anderes als Wiedergänger der antidemokratischen, antiliberalen, antipluralistischen, antisemitischen Haltung, die eine „identitäre Einheit von Volk und Führer“ anstrebt und prophezeit, dass „die Völker am Liberalismus zugrunde gehen.“
Klar wurde in Daniels Vortrag auch, dass sowohl Anhänger:innen der „Neuen Rechten“ als auch ihre Akteure in der AfD einen parlamentarischen Arm ausgebildet und gefunden haben. Das zeigen nicht nur die sozialen Medien, sondern auch die Präsenz der AfD in oder bei Organen der „Neuen Rechten“ und umgekehrt. Es ist daher nur folgerichtig, dass die AfD aufgrund des Einflusses von Rechtsextremisten unter Beobachtung als Verdachtsfall des Verfassungsschutzes steht.
Besonders die aktuelle Krisensituation wird von der „Neuen Rechten“ ausgenutzt und als temporäre Chance missbraucht: Verschwörungsideologien und demokratiefeindliche Narrative werden gestreut und wie Netze ausgeworfen: Sie verfangen sogar in der Mitte der Gesellschaft und haben so ein hohes Mobilisierungspotenzial, das Daniel noch höher einschätzt als die Radikalisierungsgefahr während der Corona-Pandemie mit ihren „Montags-Spaziergängen“.
Dieser oft schleichend vergiftenden Demagogie und Ideologisierung können weitere Radikalisierung und Manifestationen in Form von brutaler Gewalt wie geplante Mordanschläge auf Politiker und Attentate auf rechtsextremistische Feindbilder, verhasste Gruppen oder Institutionen folgen. Auch der Sturm auf das Capitol in Washington war eine direkte Folge einer Politik, die sich der rechtsextremistischen Ideologie bediente. Und so wundert es nicht, dass ein Foto in Daniels Präsentation eine Gruppe von stürmenden Menschen auf dem Capitol zeigt, die das anfangs erwähnte „KEK-Frosch-Meme“ wie eine Standarte vor sich hertrugen.
Detaillierte Informationen sind abrufbar auf der Homepage des Landesamts für Verfassungsschutz Hessen: https://lfv.hessen.de/prävention/korex. Dort können auch Infomaterial Fortbildungsmaßnahmen bestellt werden.
Das SI-Projekt „Nie wieder Krieg!“ wird vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ gefördert. Alle weiteren Informationen und Termine des Rahmenprogramms unter www.niewiederkrieg.net Foto: SI/Deibel
SI-Präsidentin Dr. Barbara Peters (2.v.r.) bedankte sich bei Sven Daniel (Mitte) für den sehr informativen Vortrag. Auch Jennifer Curlett vom Jugendamt Vogelsbergkreis (3.v.l.) DEXT-Fachstelle (Demokratieförderung und phänomenübergreifende Extremismusprävention) sowie Mona Schwarz (2. v. links, neben „Nie wieder Krieg!“-Projektleiterin Ute Kirst) vom Mobilen Beratungsteam Hessen gegen Rassismus und Rechtsextremismus, für demokratische Kultur in Hessen e.V. waren dankenswerterweise vor Ort. Stellvertretend für die Alexander-von-Humboldt-Schule wurde Jennifer Lomb von Peters dankend für die Bereitstellung von Aula und Technik genannt.